Zeit- und Geldmangel lässt Mikkel Karstad als Ausrede für schlechtes Kantinenessen nicht gelten. Der dänische Spitzenkoch beweist, dass unter Verschlankung des Speisenangebots Frischküche auch in Betriebsrestaurants möglich ist. (Von Karoline Giokas)
Nur ein Gericht auf der Speisekarte des Betriebsrestaurants geht nicht? Doch! „Wer glaubt, eine Kantine müsse täglich mehrere Gerichte auffahren, um Gäste glücklich zu machen, irrt“, ist sich der Däne Mikkel Karstad sicher. Bestes Beispiel dafür ist Horten, eine der größten Rechtsanwaltskanzleien Dänemarks nahe Kopenhagen. Dessen Mitarbeiterrestaurant hat Mikkel Karstad im Jahr 2011 komplett auf den Kopf gestellt. „Essen wurde hier in großen GN-Behältern zur Selbstbedienung angeboten – es blieb viel zu viel übrig und musste am Ende des Tages weggeworfen werden“, erinnert sich der 45-Jährige. Ein Jahr lang arbeitete er daran, das Essensangebot insgesamt zu reduzieren und auf Einzelportionen umzustellen. Tiefkühlware und Convenience-Food wurden aus den Speisekammern verbannt. „Das Argument vieler Köche, es sei zu teuer, frisch und mit saisonalen Produkten zu kochen wird meiner Meinung nach nur aus vermeintlichem Zeitmangel in der Großküche eingesetzt”, betont Mikkel. Auf dem neuen Speiseplan bei Horten gab es von da an weniger Fleisch, Stärke und Fett. Stattdessen wurde Gemüse zum Hauptakteur der Gerichte und beispielsweise mehr mit Fisch kombiniert. „Ein Gericht besteht zu 80 Prozent aus gemüse. On Top gibt’s dafür hochwertigen Fisch oder Fleisch. Allein den Wareneinsatz von Fleisch konnten wir von täglich 25 auf 13 Kilogramm reduzieren.“
Tschüss Sterneküche
Betriebskantinen hinsichtlich ihrer Kochgewohnheiten beraten – eigentlich hatte der zurückhaltende Däne mit vollem Bart und lässigem Leinenlook einmal ganz andere Pläne: Mit 16 ging er nach London, lernte bei bekannten Köchen wie Gordon Ramsay sein Handwerk auf Sterneniveau und träumte davon, irgendwann einmal ein eigenes Restaurant zu haben. „Das ließ sich aber nicht mit meinem Wunsch nach Familie vereinbaren“, verrät Mikkel. Daher kehrte er mit 27 in seine Heimat zurück und nahm nach verschiedenen Stationen in der Fine Dining-Branche ein Angebot als Kantinenchef für das dänische Parlament im Schloss Christiansborg an. „Mit meinem 40-köpfigen Team habe ich jeden Tag für bis zu 1.500 Gäste, darunter Abgeordnete, Angestellte und Besucher des Parlaments, gekocht. Ich wusste aber immer, dass ich pünktlich nach Hause, zu meiner Frau und den Kindern kommen würde.“
Nachdem er nebenbei auch noch drei Jahre lang als gastronomischer Berater von Claus Meyer, dem Mitbegründer des Noma (einem der besten Restaurants weltweit) war, machte sich Mikkel selbstständig. „Bei meiner Arbeit mit Claus hat es einem Moment gegeben, in dem es plötzlich klick gemacht hat und ich schlagartig wusste, was ich will“, erinnert sich der Spitzenkoch. „Ich wollte keine komplizierte Sterneküche mehr, sondern einfaches Essen, einfach zubereitet. So, dass man die einzelnen Zutaten noch rausschmeckt. Das habe ich dann erstmals bei Horten umgesetzt – danach entwickelte sich alles als Selbstläufer.”