Das Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut hat 2008 als eines der ersten Kliniken bundesweit zu 100 Prozent auf vollbiologisches Essen umgestellt. Genauso wichtig wie der Biogedanke ist Küchenleiter Gilbert Bielen die regionale Herkunft der Lebensmittel. (Von Sabine Hartleif)
Gebastelte Schmetterlinge, bunte Blumenbilder, eine Collage mit einem roten Papierhaus und dazwischen immer wieder Dankessprüche: Die Tür zum Büro der Küche im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut ist von oben bis unten mit liebevollen, kleinen Aufmerksamkeiten beklebt. Sie gelten dem Küchenteam und ihrem Chef, Gilbert Bielen. Der 42-Jährige ist der festen Überzeugung, „dass gutes Essen wesentlich zum Genesungsprozess beiträgt.“ Entsprechend engagiert gehen er und seine neun Mitarbeiter an die Arbeit.
350 warme Essen bereiten sie täglich frisch für die kleinen Patienten, deren Begleitpersonen, die Krankenhaus-Mitarbeiter sowie für zu die hauseigene Kinder-Tagesstätte und den Krankenhaus-Kindergarten zu. Dabei orientieren sich die Küchen-Mitarbeiter an den DEG-Richtlinien für ein ernährungsphysiologisch anspruchsvolles, qualitativ hochwertiges und abwechslungsreiches Essen. In die Töpfe kommen seit 2008 überwiegend Bioprodukte aus der Region. Jährlich wird die Einrichtung gemäß EG-Öko-Verordnung (Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 und der Verordnung Nr. 889/2008) für Speisen und Getränke zertifiziert (Zertifikat Nr. SBAH-8RRLL2).
Zusätzlich erfüllt die Küche als hundertprozentiger Bioland-Partner die strengen Richtlinien des Verbandes. Das ist Ausnahme, wenn nicht gar einmalig in der deutschen Kliniklandschaft. Für ihren Einsatz für gesunde, unbelastete Lebensmittel aus tiergerechter Haltung wurde die Küche im vergangenen Jahr außerdem mit der Tierschutz-Kochmütze der Schweisfurth-Stiftung geehrt.
Nur zehn Prozent Convenience-Produkte
Bielens Leidenschaft für Bio wurde in der Tafernwirtschaft des Biohotels Hörger in Hohenbercha geweckt. Nachdem er im April 2007 ins Landshuter Krankenhaus gewechselt war, stellte er schnell fest, dass nicht alle Mitarbeiter der ehemaligen Convenience-Küche seine Passion für frisch zubereitete Bio-Speisen teilten. Wurden Brühen früher beispielsweise nur angerührt, müssen nun Knochen und Gemüse ausgekocht werden. Auch Dressings für die Salate sowie Soßen bereitet die Belegschaft nun selbst zu. Das bedeutet einen erhöhten Arbeitsaufwand und den wollten nicht alle mittragen. Ein Teil der Mitarbeiter verließ die Küche deshalb.
Nur etwa zehn Prozent der Lebensmittel werden heute vorgefertigt zugekauft wie etwa Tomatenmark oder geschälte Bio-Kartoffeln – eine Notwendigkeit für eine Küche, die ohne Stärkeabscheider auskommen muss. Darüber hinaus nimmt Bielen der gemeinnützigen Münchner Integrationsfirma „Regenbogen Arbeit“ wöchentlich 20 kg geschnittenes beziehungsweise gewürfeltes Gemüse ab. „Meine jetzigen Mitarbeiter stehen voll hinter dem Konzept“, sagt Bielen. Das gilt auch für die Auszubildenden. Zum Zuge kommen auch und gerade Bewerber, die es schwer auf dem Arbeitsmarkt haben, sei es, dass sie schon eine Lehre abgebrochen haben, oder aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen.
Schöpfsystem auf den Stationen
Die Crew in St. Marien bereitet jeden Tag ein vegetarisches und ein Fleischgericht zu. Die einzelnen Komponenten kommen in großen Töpfen auf die Stationen und werden von den Pflegekräften nach dem Schöpfsystem ausgeteilt. So haben die kleinen Patienten die freie Wahl und können sich ihre Mahlzeiten selbst zusammenstellen. Für die Eltern, sonstige Gäste und die Krankenhaus-Mitarbeiter werden die Speisen am Buffett in der Cafeteria angerichtet. Eine Vorbestellung ist nicht nötig.
Damit dieses flexible System funktioniert, kochen Bielen und sein Team nicht alle Portionen auf einmal, sondern bereiten die Speisen nach und nach bis 13 Uhr zu. Selbst wenn ein Kind mit einer Unverträglichkeit erst gegen Mittag aufgenommen wird, kann es noch ein passendes Mahl bekommen. Bleibt doch etwas übrig, wird es eingefroren. „Wir haben die Abläufe inzwischen so perfektioniert, dass kaum Abfall anfällt“, sagt Bielen.
Das ist auch notwendig, sollen die Mehrkosten für die Bioprodukte aufgefangen werden. Bei einem Rundgang durch die Vorratskammern erklärt der Küchenleiter, worauf es ankommt. „Dieser Salat kommt direkt von einem Feld aus einer Gärtnerei in Landshut“, sagt er. „Der ist so frisch, da kann ich jedes Blatt verwenden.“ Auch beim Fleisch achtet der Koch auf die regionale Herkunft. Alle paar Wochen kauft Bielen ein ganzes Rind und verarbeitet es nach und nach vollständig – vom Streifenfleisch für die Suppen über Hackfleisch bis hin zu den Knochen für die Fleischbrühe. Nur die Edelstücke nimmt Bielen dem Bauern nicht ab – aus Kostengründen.
50 Cent mehr pro Mahlzeit
Dennoch mussten die Preise nach der Umstellung auf Bio um etwa 50 Cent erhöht werden. Während die meisten Gäste das Bioangebot, für das sie mittlerweile 3,50 Euro pro Mahlzeit bezahlen, sehr begrüßen, ist der Preis einzelnen Mitarbeitern zu hoch. Mit Getränken würden sie fast 100 Euro pro Monat nur für das Essen ausgeben, klagen sie. Ihnen rät Bielen zu einem einfachen Experiment: „Kauft einmal für 100 Euro in einem Lebensmittelgeschäft ein“, meint er und ist sich sicher: „Davon wird man nicht einen Monat lang satt. Und gekocht wird bei uns schließlich auch noch.“