Der Nutzen spezieller Diabetiker-Lebensmittel ist gleich null, sagen Forscher. Das Aus für diese Waren wird endgültig auf den Weg gebracht. Für die Unternehmen ist das ein schwerer Schlag, aber ihnen wird eine Übergangsfrist bis 2012 eingeräumt.
Thomas Danne hat lange auf diesen Moment gewartet.Der Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft setzt sich seit Jahren für die Abschaffung spezieller Diabetiker-Lebensmittel ein. “Lange Zeit ohne Erfolg, da die Lebensmittellobby sich sehr erfolgreich gewehrt hat”, sagt er. “Denn das Geschäft mit den sogenannten Diabetiker-Lebensmitteln ist außerordentlich lukrativ.” Spätestens jetzt müsse die Industrie jedoch umdenken.
An diesem Montag will der Ausschuss des Bundesrats für Agrarpolitik und Verbraucherschutz unter Tagesordnungspunkt 18 die “Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Diätverordnung” beschließen.Dahinter verbirgt sich für Diabetiker, aber vor allem für Unternehmen eine einschneidende Veränderung.
Schließlich machen sie bisher rund eine halbe Milliarde Umsatz mit solchen Produkten, in Deutschland leiden mehr als sechs Millionen Menschen an der Zuckerkrankheit. Dass der Bundesrat in seiner nächsten Plenumsitzung am 24. September der Ausschussempfehlung folgen wird, gilt als sicher. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft haben die Produkte kaum Vorteile.
“Das ist eine deutliche Veränderung, die auf die betroffenen Unternehmen zukommt”, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Hersteller von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung, Norbert Pahne. Den Umsatz mit Diabetikerprodukten beziffert Pahne für 2009 auf 138 Millionen Euro, hinzu kommen zuckerarme Getränke, mit denen weitere 380 Millionen Euro umgesetzt wurden.
Unternehmen müssten nicht nur ihre Hinweise auf den Verpackungen ändern, sondern bei bestimmten Produkten auch die Rezepturen. “Die größte Änderung gibt es für Patienten, die ihre Insulinmengen auf diese Produkte abgestimmt haben”, sagt Pahne, dessen Verband die Interessen von 60 Herstellern diätetischer Lebensmittel vertritt.
Die in Paragraf 12 der Diätverordnung genannten Anforderungen an diätetische Lebensmittel für Diabetiker werden dem Gesetzentwurf zufolge ersatzlos gestrichen. Da geht es unter anderem um Fructose als Zuckerersatz oder dass ein Diabetiker-Brot nur einen Brennwert von höchstens 840 Kilojoule pro 100 Gramm haben darf.
Spezielle Marmeladen oder Kekse entsprächen in ihrer Zusammensetzung nicht mehr den Ernährungsempfehlungen, sagt die Regierung. Nicht selten enthielten Diabetikerprodukte mehr Fett und Kalorien als die normale Variante. Und zudem haben Menschen mit Diabetes nicht nur einen gestörten Zuckerhaushalt, auch der Fett- und Eiweißstoffwechsel sei beeinträchtigt.
Aber: Es gibt eine Übergangsfrist von zwei Jahren. Bis 2012 dürfen Unternehmen noch Diabetiker-Lebensmittel produzieren – und Konserven, Marmeladen und Schokoladen müssen auch danach nicht aus dem Regal geräumt werden. Erst wenn alles raus ist, ist es endgültig vorbei mit speziellen Diabetiker-Produkten. Einer der größten Hersteller solcher Produkte ist Schneekoppe. Nach den Änderungen könne man nach Anpassung der Produktdeklaration und der Rezepturen immerhin noch bis zu 60 Prozent des “prodieta”-Sortimentes weiterführen, heißt es.
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft betont, in der Änderung läge eine große Chance – für mehr Transparenz im Sinne der Patienten, dies dies sicher honorieren würden. “Dazu gehört es vor allem auch, die Nährwerte auf einem Lebensmittel nachvollziehbar zu kennzeichnen”, sagt Präsident Danne. Auf vielen Lebensmitteln fehlten nach wie vor genaue Angaben über den Gehalt an Eiweiß, Zucker, Fetten, Salzen und Ballaststoffen, zum Brennwert oder zur Gesamtmenge an Kohlenhydraten pro 100 Gramm. “Nur damit ist es für Menschen mit Diabetes möglich, ihr Insulin korrekt zu dosieren und ihre Ernährung zuverlässig zu planen.” Darauf sollten sich die Hersteller konzentrieren, denen das Wohl von Diabetikern wirklich am Herzen liege. (dpa)