Dr. Aris Kaschefi (37) ist der neue Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Vending- und Automatenwirtschaft (BDV). Seit sechs Jahren kennt der Jurist die Branche, als stellvertretender Geschäftsführer hat er bereits bleibende Akzente in der Verbandsarbeit gesetzt. Im Interview mit VENDING MANAGEMENT äußert er sich zur zukünftigen Strategie des BDV, seinen eigenen Zielen für den Verband, und zur Vending-Branche national und international. (Von Stefanie George)
Herr Kaschefi, erstmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt und alles Gute für Ihre zukünftige Arbeit.
Vielen Dank!
Als stellvertretender Geschäftsführer haben Sie seit Jahren Verantwortung im BDV getragen – war Ihre Beförderung für Sie ein wichtiges Ereignis, oder eher ein gleitender, weil lange angebahnter Übergang?
Was als gleitender Übergang geplant war, ist letztlich doch ein bedeutender Schritt in der Wahrnehmung und Verantwortung. Sechs Jahre in der Branche zu sein, Verantwortung zu übernehmen, Projekte anzustoßen und zu leiten, die Menschen und Themen der Vendingbranche kennen und schätzen zu lernen ist eine Sache. Aber es ist etwas anderes sich für die Branche „verantwortlich“ zu fühlen – das, was Norbert Monßen viele Jahre vorgelebt hat, die Branche vorantreiben und weiterentwickeln zu wollen – dieses Gefühl habe ich jetzt für mich verinnerlicht. Das ist auch mein eigener Anspruch. Insofern ist es nicht nur eine abstrakte Veränderung, ein „stv.“, das wegfällt, sondern eine neu definierte Wahrnehmung der Aufgabe.
Seit 2005 sind Sie nun schon für den BDV tätig. Was waren bisher Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Die Tätigkeit hat sich anfangs stärker auf die Rechtsberatung der Mitglieder bezogen und ist dann über die Ausschussarbeit stetig gewachsen. Durch die Mitgliederbesuche, Veranstaltungen und die Ausschussarbeit bin ich an die Anforderungen und Themen des Tagesgeschäfts der Mitglieder herangeführt worden – Wer sind unsere Mitglieder, was bewegt die Menschen in der Vendingbranche? Über rechtliche Schwerpunktthemen, wie z.B. Altgeräteentsorgung, Ernährungsthemen, Hygieneregelungen, Lebensmittelkennzeichnung etc. – alles was Lobbyarbeit betrifft – kam für mich auch der Kontakt zum europäischen Verband. Von Beginn an hat mich Norbert Monßen in alle Prozesse und Themen des Verbandes einbezogen. Mitgliederberatung und Kontaktpflege, Konzeptionierung und Durchführung der BDV-Veranstaltungen standen ebenso im Zentrum wie allgemeine Pressearbeit und der Kontakt zu anderen Verbänden mit Branchenüberschneidung. In den letzten Jahren konnte ich zunehmend Bereiche eigenverantwortlich übernehmen – wie z.B. die Arbeit der 13 BDV-Ausschüsse. Gemeinsam mit Norbert Monßen haben wir zuletzt einige Veränderungsprozesse eingeleitet, wie z.B. bei unserer Mitgliederzeitschrift „BDV intern“, die etwas mehr „Farbe“ bekommen hat. Auch bei der Etablierung neuer BDV-Kooperationen und Veranstaltungen wie z.B. dem Trend-Treffen Expo konnte ich Impulse setzen. Eine andere Sache war die Etablierung der Plattform „New Generation“, mit der ich die neue Generation von Operatorn zusammenführen und stärker an die Branche und den Verband binden möchte.
Wird es im BDV strukturelle Veränderungen geben?
Wir haben im BDV in diesem Jahr einen neuen Vorstand gewählt und zudem einen Wechsel in der Geschäftsführung. Viele Veränderungen, die der Vorstand und die Geschäftsführung zum Anlass genommen haben, die Erarbeitung einer neuen Strategie für den BDV in Angriff zu nehmen. Das Vorhaben als solches werden wir beim Trendtreffen in Fulda im Herbst bekannt geben. Die Vorstellung der Strategie ist dann für die Jahreshauptversammlung im April 2012 vorgesehen. Es geht dabei nicht darum alles Bestehende einzureißen, sondern vielmehr um eine Neujustierung und Überprüfungen der Blickrichtung des Verbandes. So etwas hat es bereits früher schon gegeben – man denke nur an das Sonthofener Programm 1999 oder das Münchner Programm 2005.
Wie wird diese neue Strategie erarbeitet? In den Ausschüssen?
Bei der Erarbeitung der Verbandsstrategie geht es darum, den Verband fit für die künftigen Entwicklungen & Rahmenbedingungen (politisch, ökonomisch, ökologisch, gesellschaftlich, finanziell) zu machen. Die Mitglieder sollen sich in ihrem Verband, als Sprachrohr und starke Interessenvertretung wiederfinden. Die Strategiegrundlagen entstehen daher in einer Mischung aus Mitgliederbefragung und Erarbeitung durch den Vorstand und Geschäftsführung. Die Mitgliedervorstellungen und Erwartungen sollen sowohl durch Fragebögen, als auch durch direkte Ansprache in den Ausschüssen erfasst und einbezogen werden. Zur Erarbeitung der Strategie wird es darüber hinaus eine Projektgruppe geben, deren Ziel es sein wird, konkrete Ziele und Maßnahmen zu entwickeln. Wir wollen schließlich nicht nur über Strategie sprechen und diskutieren, sondern auch handeln. Die Projektleitung werde ich selbst übernehmen. Moderiert und begleitet wird das Projekt außerdem von einem externen Strategieberater.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des BDV in den vergangenen Jahren?
Als Teil des Ganzen ist es schwierig, einen Blick auf etwas zu werfen, was man selbst mitgestaltet hat. Als ich zum BDV gekommen bin, habe ich einen sehr akzeptierten Verband mit einem wertgeschätzten Geschäftsführer Norbert Monßen vorgefunden. Die Branche hat in den vergangenen Jahren ein hohes Maß an Professionalität erreicht. Die Akteure haben Selbstbewusstsein, sind stolz auf das Erreichte und arbeiten an neuen Projekten mit tollen Ideen und viel Engagement. Dies alles ist jedoch nur möglich mit einem starken Verband, der den Mitgliedern Zusammenhalt, Beratung, Ausbildung, Impulse und Stärkung bietet.
Der Entwicklungsprozess ist in vollem Gange. Durch die mir bereits frühzeitig aufgezeigte Perspektive im BDV habe ich die Zeit für Gespräche und Diskussionen genutzt um zu entdecken, dass die Anforderungen der Mitglieder an den Verband komplexer geworden sind. Der Verband als Berater und Beschützer einerseits. Andererseits aber auch der Verband als Meinungs- und Imagemacher für die Branche. Das Informations-, Veranstaltungs- und Schulungsangebot ist noch vielseitiger geworden. Die Themenfülle für den Verband ist enorm. Unsere Aufgabe ist es, sachkompetent über alle Bereich der Branche mitreden zu können und eine Vordenkerrolle zu übernehmen.
„Coffee-to go“, „Table-Top“, „Public-Vending“, „Premium“, „Vertrauen beim Kunden schaffen“, „Kundenwünsche erkennen“, „Dienstleistung“, „Marke leben und pflegen“, „Preis“, „Wertschöpfung“, „Regionalität“ und „Nachhaltigkeit“ um nur einige Themen zu nennen. Der Kurs und die Themenauswahl der vergangenen Jahre sind richtig, das zeigt uns auch der Blick über den Tellerrand in andere Branchen. Aber ich sehe Vending – verglichen mit der Entwicklung im Handel bei den Supermärkten, den Kaffeehäuser, den Betriebsrestaurants, den Bäckereinen, der Systemgastronomie – noch in einem Prozess, in dem viele Erkenntnisse vorliegen, die Umsetzung allerdings noch Nachholbedarf hat.
Was in den letzten Jahren im Verband erarbeitet worden ist, hat noch nicht die erforderliche Marktdurchdringung gefunden. Zentrale Themen der Zukunft werden für mich sein: Wie vermittle ich die gesammelten Erkenntnisse? Wie binde ich die Mitglieder mit ein? Wie transportiere ich Information in den Markt? Die Themen sind identifiziert. Die Marktteilnehmer werden mit den Herausforderungen klarkommen, keine Frage.
In welchen Bereichen sehen Sie noch besonders Entwicklungsbedarf?
Möglichkeiten zur Entwicklung des Verbandes sehe ich beispielsweise im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der Kommunikation. Da sehe ich Wege, wo sich die bisherige Präsenz des Verbands ändern wird. Das gilt sowohl nach innen im Hinblick auf die Mitglieder des Verbandes als auch nach außen, gegenüber der Branche und dem Umfeld.
Neue Wege in der Kommunikation – es könnte also bald eine BDV-App für das Handy geben?
Warum nicht? Oder es könnte auch die „BDV intern“ als E-publishing-Version geben, mit dahinter liegenden Informationen als App. Keine Frage, wir leben in einem digitalen Zeitalter, in dem soziale Netzwerke eine beindruckende Stellung erreicht haben. Hier stelle ich mir jedoch selbst die Frage, ob mit dem Einsatz moderner Techniken im Verband nicht der Anschein des bloßen technologischen Modernisierers entsteht? Gerade erst habe ich bei einer Verbandsveranstaltung erlebt, wie viel Wert die Mitglieder auf eine persönliche „Umsorgung“ legen. Oder muss man sich sogar damit auseinander setzen, weil sich die Entwicklung sowieso nicht aufhalten lässt, und man auch einen Verband darauf vorbereiten sollte? Aber das darf meiner Meinung nach nicht das Kernargument sein.
Planen Sie neue Kooperationen, Projekte mit anderen Verbänden und Institutionen?
Zu konkreten Vorhaben kann ich mich jetzt noch nicht äußern. Grundsätzlich stehen Synergien mit anderen Verbänden im Raum. Im Bereich Unternehmensdienstleistung, Vending, Gastronomie und Hotelerie verschwimmen die Grenzen. Die Branchenvertretungen sind zum Teil von nur begrenzter Größe. Ich möchte fördern, dass die man gegenseitiges Sprachrohr füreinander wird. Also Verbände, die in gleichen Bereichen agieren, dazu zu nutzen, die Vending-Dienstleistung transparenter und griffiger zu machen. Die gesamte Lebensmittel- und Dienstleistungswirtschaft wird in Zukunft noch stärker für Vertrauen beim Kunden werben. Die Vending-Branche möchte ebenfalls die angemessene Wertschätzung erfahren. Hier kann ich mir vorstellen, andere Institutionen stärker mit zu bedienen. Das können beispielsweise die Branche der Fachplaner oder Facility-Manager sein, aber auch auf der anderen Seite ein stärkeres Zusammenwachsen mit Dienstleistern aus dem Beratungssektor bedeuten. Je stärker man sich mit diesen im Dialog befindet, desto stärker gewinnt der Vending-Bereich in der Außenwahrnehmung an Profil.
Fernab der Verbandsarbeit – wo braucht die deutsche Vending-Branche noch neue Impulse?
Sie braucht nur den Impuls, den man derzeit in fast allen Bereichen findet: Wir leben in einer eitlen Welt. Wertschätzung und Aufwertung. Konsumenten bestimmen und entwickeln den Markt selbst. Dies ist im Bereich der Automobilwirtschaft und Unterhaltungselektronik omnipräsent. Ein Phänomen, welches ich bisher von den Vending-Konsumenten weniger gefunden habe. Das ist auch weniger ein Problem unserer Branche oder der mangelnden Bereitschaft der Marktteilnehmer, sondern meines Erachtens eine mangelnde Einsicht und Phantasie der Konsumenten zu was Vending im Stande ist. Bisher ist es dem Impuls der Vending-Akteure zu verdanken, wenn sie auf Premium setzen, neue Stationen bauen und Atmosphäre schaffen.
Mit anderen Worten, die Kunden müssen erst begreifen, was im Vending-Bereich möglich ist.
Ja, die Kunden müssen Vending als etwas sehen, was auf einem Niveau liegt mit den Erwartungen, die sie selber an ein neues Auto oder ein Smartphone setzen. Mit der gleichen Erwartungshaltung, aber dann auch der gleichen Wertschätzung diesem Angebot begegnen.
Wie lässt sich das erreichen? Bessere Produkte, besseres Marketing?
Es ist nicht nur die gute Arbeit, der gute Service und die gute Präsentation der Automaten, sondern auch eine professionelle Selbstdarstellung der Unternehmen. Premium entsteht im Kopf. Die Entwicklung hat vielerorts schon begonnen, das zeigt sich auf Messen und kleineren Tagungen, wo sich Mitglieder präsentieren. Wir müssen daran arbeiten, dem Konsumten ins Bewusstsein zu rücken, was ihm die Dienstleistung unserer Branche überhaupt bedeutet. Eine gesteigerte Erwartung führt zu gesteigerten Wertschätzung und letzendlich auch zu der Bereitschaft mehr Geld für unsere Dienstleistung auszugeben. Damit tut sich die Branche ja schon seit Jahren schwer. Leider wird Vending bisweilen heute noch immer ein „qualitativ minderwertig“-Stempel aufgedrückt, und es gibt oftmals keine richtige Wahrnehmung davon, was die Branche eigentlich leistet.
International betrachtet gab es gerade in der letzten Zeit auch wieder viel Kritik an der European VendingAssociation (EVA). Warum tut sich der europäische Verband so schwer?
Die aktuelle „BDV intern“ hat sich diesem Thema in einem Artikel angenommen. Aus Europa kommt eine Flut an Regelungen, die auch für die Vending-Branche relevant sind. Dies unterstreicht die Bedeutung, die der europäischen Präsenz der Vending-Branche zukommt. Für meine Tagesarbeit benötige ich Informationen über alle Vorgänge und aktuelle europäischen Gesetzvorhaben mit Vending-Relevanz, um unsere Mitglieder zeit- und praxisnah auf bevorstehende Veränderungen vorbereiten zu können. Der BDV ist Mitinitiator bei der Gründung der EVA gewesen. Diese besondere Stellung erklärt auch unsere hohe Erwartungshaltung an die EVA.
Herr Kaschefi, wie werden Sie den Verband in die Zukunft führen?
Sowohl auf den Verband als auch auf die Branche bezogen, kann aus meiner Sicht nur gelten: Evolution statt Revolution. Viele Unternehmen der Branche befinden sich aktuell ebenso wie der Verband in einem Prozess des Generationswechsels. Nachfolger in den Operating-Betrieben machen sich bereit, junge Gesichter besetzen Schlüsselpositionen von Traditionsunternehmen der Branche. Ich möchte den BDV bedacht aber ideenreich in eine erfolgreiche Zukunft führen. Mir liegt es nicht daran alles anders zu machen. Ganz im Gegenteil, ich möchte die festen und guten Grundlagen weiterentwickeln, vielleicht teilweise „angestaubte“ Dinge aufpolieren und neuen Glanz verleihen. Zentrales Anliegen ist es mir hierbei, die persönliche Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern zu wahren. Hinter den Automaten über die wir hier sprechen stehen doch letztendlich Menschen, die ich kennen und verstehen möchte und für deren Anliegen ich mich einsetzen werde.
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