Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kämpft sich das Gastgewerbe aus der Krise – auch dank der seit April anziehenden Nachfrage. Der Neustart der Branche wird erschwert durch steigende Kosten und wachsende Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges. „Die aktuellen Herausforderungen könnten kaum größer sein“, sagte Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA-Bundesverbands auf der Pressekonferenz am 21. Juni 2022.
Die Branche brauche jetzt Planbarkeit und verlässliche Perspektiven. „Ich erwarte, dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird, erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben. Die Zukunftssicherung der Betriebe und Arbeitsplätze muss jetzt Priorität haben“, fordert Guido Zöllick. „Neun Monate Lockdown und weitreichende Einschränkungen haben tiefe Spuren hinterlassen – bei Unternehmern und Mitarbeitern“, so der DEHOGA-Präsident. 2020 brach der Umsatz laut dem Statistischen Bundesamt gegenüber 2019 um real 39 Prozent (nominal -36,5 Prozent) ein. Das Jahr 2021 fiel mit realen Einbußen in Höhe von 40,1 Prozent (nominal -36,1 Prozent) im Vergleich zum Vorkrisenjahr sogar noch schlechter aus. Auch im ersten Quartal 2022 musste das Gastgewerbe noch einen realen Umsatzverlust von 32,5 Prozent (-25,2 Prozent) verkraften.
Die Pandemie betraf auch den gastgewerblichen Jobmotor. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde im Mai 2021 nach dem langen Lockdown mit 14,5 Prozent registriert, das entspricht mehr als 160.000 Mitarbeitenden weniger als im Mai 2019. Erfreulich sei indes, dass nicht wenige zurückkehrten und auch wieder neue Angestellte gewonnen werden konnten, betonte Guido Zöllick. Im März dieses Jahres zählte die Bundesagentur für Arbeit 1.004.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das sind 63.699 weniger als im März 2019 (-6 Prozent), aber bereits rund 61.000 mehr als im März 2021. Dramatische Rückgänge gab es bei den Azubizahlen. „Aktuell erlernen fast 41.500 junge Menschen einen unserer sechs Ausbildungsberufe. 2019 waren es gut 51.000“, teilte Guido Zöllick mit.
Hoffnungen auf Deutschlandtourismus
Hoteliers und Gastronomen setzen jetzt auf eine gute Sommersaison. „Der Nachholbedarf ist groß“, sagte der DEHOGA-Präsident, die Menschen hätten Deutschland als Reiseland neu entdeckt. In vielen Regionen gebe es berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass die Betriebe in diesem Jahr an das Umsatzniveau von 2019 herankämen. Die touristische Nachfrage erhole sich schneller als die geschäftliche, das hätten auch die vergangenen Sommer gezeigt.
Aktuelle Herausforderungen sind groß
„Allen Betrieben zu schaffen, machen die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal“, so Guido Zöllick weiter und verwies auf die Ergebnisse der jüngsten DEHOGA-Umfrage. Danach bereiteten den Betrieben die Energiekosten (85,6 Prozent), die Lebensmittelpreise (85,4 Prozent) und die Personalkosten (67,0 Prozent) größte Sorgen. Anfang Juni beklagten rund 60 Prozent der Betriebe einen akuten Mitarbeitermangel.
Appell an die Politik
Angesichts der gewaltigen Herausforderungen für das Gastgewerbe forderte der DEHOGA-Präsident von der Politik entschlossenes Handeln und die richtigen politischen Weichenstellungen. Die Branche erwarte, dass jetzt eine bestmögliche Pandemie-Vorsorge für das Winterhalbjahr getroffen werde. Hinzu käme nun, eine sichere und finanzierbare Energieversorgung zu gewährleisten. Priorität haben zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. „Wir benötigen dringend mehr Mitarbeiter aus dem In- und Ausland.“ Deshalb müsse die Arbeitskräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zügig ausgeweitet sowie Prozesse und Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Längst überfällig sei eine echte Offensive für die duale Ausbildung.
Zentrale Maßnahme zur Zukunftssicherung der Branche sei laut Guido Zöllick die Beibehaltung der Mehrwertsteuersenkung. „Die 7 Prozent Mehrwertsteuer muss bleiben“, appellierte er an die politischen Entscheider. Mehr denn je käme es darauf an, der Branche, den Unternehmern und Mitarbeitern verlässliche Perspektiven zu geben und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken. Nicht nur, weil das Gastgewerbe mit 200.000 Unternehmen und zwei Millionen Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, Jobmotor und Absatzmarkt sei, sondern auch von hoher gesellschaftlicher Relevanz, die wohl nie deutlicher wurde als in den Pandemiemonaten, so Guido Zöllick abschließend.