Verbraucher wünschen sich Transparenz, wenn es um die Sicherheit von Lebensmitteln geht. Ampelfarben sollen deshalb demnächst in ganz Nordrhein-Westfalen den Gast schon am Eingang eines Restaurants darüber aufklären, wie es um die Hygiene der besuchten Gastronomie bestellt ist. Ein Versuch diesbezüglich wurde bereits in Pilotprojekten in den Städten Duisburg und Bielefeld umgesetzt.
Marc Weber, Vorsitzender der Fachgruppe Gaststätten und verwandte Betriebe des Dehoga-Verbands NRW, ist gegen die Einführung der Hygiene-Ampel – und das, obwohl sein eigener Betrieb, das Webster Brauhaus in Duisburg, während des dortigen Pilotprojekts zur Hygiene-Ampel stets gute Noten erhielt. (Foto: Dehoga)
Herr Weber, was spricht gegen die Einführung einer Hygieneampel?
Der Gast erwartet von diesem Resultat eine Aussage darüber, ob der Betrieb sauber ist oder nicht – aber das erfährt er gar nicht.
Ach nein?
Es wird dasselbe System eingesetzt, wie bei der Lebensmittelkontrolle: Für jedes mögliche Risiko bezüglich der Hygiene werden Negativpunkte vergeben, maximal 80. Das Ergebnis war zunächst nur intern zu verstehen und diente allein der Risikoeinstufung des Betriebes. Wenn ein Betrieb sehr viele Punkte und damit eine höhere Risikostufe erreicht hat, wird er vom Lebensmittelkontrolleur öfter kontrolliert, ein Betrieb mit geringerer Risikostufe wird seltener kontrolliert.
Aber gibt die Risikoeinstufung nicht auch eine gewisse Aussage über den Hygienezustand in dem Betrieb wieder?
Das System funktioniert so, dass Sie keine Pluspunkte, sondern Negativpunkte erhalten. 0 ist das Beste und 80 ist das Schlechteste. Jeder Bereich, wie die Schulung der Mitarbeiter, die Lieferscheinkontrolle, die Dokumentation der Waren und die Temperaturkontrollen, wird bewertet und der Betrieb erhält Punkte, wenn er das nicht ordnungsgemäß nachweisen kann. Natürlich gehört auch die Sauberkeit dazu, aber das ist nur ein Bereich. Schädlingsbekämpfung beispielsweise: Es ist gar nicht mal erheblich, ob Schädlinge vorhanden sind, sondern es wird bewertet, ob der Gastronom dagegen vorbeugt. Er bekommt genauso viele Minuspunkte, wie wenn er Schädlinge hätte. Solange diese Ergebnisse intern bleiben, ist das ein Anhaltspunkt, um an manchen Stellen noch einmal genauer hinzusehen. Aber jetzt geht man einfach hin, nimmt diese Punkte und will sie veröffentlichen.
Welche Wirkung hat diese Veröffentlichung auf den Gast?
Den Gast interessiert das nicht, ob Sie Ihre Lieferscheine abgeheftet haben, oder ob Sie die Schulung Ihrer Mitarbeiter dokumentiert haben. Wenn ich heute einen Mitarbeiter auf einen Fehler im Umgang mit Lebensmitteln hinweise, dann ist das eine Schulung. Wenn ich diese Schulung nicht dokumentiert habe und das kommt öfters vor, schätzt der Kontrolleur das Risiko meines Betriebes höher ein. Das ist in Ordnung, woran soll er sich auch sonst orientieren. Aber das interessiert, glaube ich, den Gast nicht – der will nämlich wissen, ob es tatsächlich sauber ist. Es gibt ja Punkte, die es nur für Sauberkeit gibt. Aber ein Betrieb, der 30 Punkte hat, kann sauberer sein, als ein Betrieb, der nur 7 Punkte hat. Und das sieht der Gast nicht.
Sehen Sie eine Wettbewerbsverzerrung durch die Hyiene-Ampel?
Natürlich beeinflusst die Bewertung den Wettbewerb: Wenn eine Sekretärin bei Siemens entscheiden muss, wo sie ihre Gäste hinschickt, dann schickt sie sie ganz sicher nicht in einen Betrieb, der mehr Minuspunkte hat.
Was ist Ihr Hauptanliegen?
Der Knackpunkt sind für mich die Punkte. Zwei verschiedene Kontrolleure geben bekanntlich eine unterschiedliche Punktezahl. Durch die Veröffentlichung dieser Punkte werden Betriebe im direkten Vergleich abgewertet, die in Wahrheit nicht schlechter sind. Es kommt also ein falsches Ergebnis heraus. Deshalb bin ich gegen die Veröffentlichung der Punkte. In Flensburg ist das klar: Wenn Sie soundsoviel Stundenkilometer zu schnell gefahren sind, ist festgelegt, wie viele Punkte Sie bekommen. Die Richtlinien zur Lebensmittelkontrolle sind aber nicht so eindeutig: Da ist die Rede von „angemessen“ und „erheblichen Abweichungen“.
Was ist erheblich, was ist angemessen?
Natürlich eröffnet das einen Spielraum. Dann kann man unter Umständen über Punkte streiten. Hinzu kommt: Wenn Sie einen ungünstigen Tag für die Lebensmittelkontrolle erwischen, beispielsweise bei hohem Krankenstand oder wenn ein Gerät ausfällt, dann kann auch ein sonst gut geführter Betrieb einmal schlechte Bewertungen bekommen. Es ist in Ordnung, wenn er dann ein Bußgeld zahlen muss. Aber wenn die Bewertung dieses einen Tages dann eineinhalb Jahre im Internet steht, das ist nicht mehr in Ordnung. Das darf nicht sein, deshalb muss meiner Meinung nach auf jeden Fall zwingend eine Nachkontrolle möglich sein und erst dann darf das Ergebnis veröffentlicht werden. Andererseits muss man auch sehen: ein Betrieb, der Rot hat: Ich kann nicht verstehen, dass der noch Gäste empfangen darf. Das ist aber möglich. Die rote Farbe braucht man gar nicht, denn der Betrieb gehört geschlossen!
Wie steht der Dehoga dazu?
Als Dehoga beteiligen wir uns nicht aktiv daran, solch ein System einzuführen. Minister Remmel will damit ja auch Wählerstimmen bekommen, und wir lassen uns da nicht vor seinen Karren spannen. Dann soll er einen Vorschlag machen, der rechtssicher ist – und das ist bisher nicht der Fall. Stattdessen geht er jetzt andersherum vor: Er schafft jetzt erst eine Gesetzesgrundlage – und gibt damit ja auch noch zu, dass die Pilotprojekte in Duisburg und Bielefeld gar keine Gesetzesgrundlage hatten! Dazu muss er erst einmal das entsprechende Gesetz durch den Landtag bringen – und dieses Gesetz gibt es ja noch nicht. Wir als Dehoga sind einheitlich zu dem Schluss gekommen, dass das jetzige System nicht geeignet ist, um die Ergebnisse im Internet zu veröffentlichen und wir werden hier definitiv Position beziehen. (max)