Die Herausforderungen der Gemeinschaftsverpflegung nach der Pandemie sind vielfältig und verlangen
nach innovativen Lösungen. Im Zentrum stehen die Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die entscheidende Hebel zur Bewältigung des Fachkräftemangels und zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung bieten. In einem exklusiven Interview sprachen wir mit dem CEO von Eurest/Compass Österreich, Georg Stronstorff, und Johannes Reichenberger, CEO von ventopay. Beide Unternehmen pflegen eine langjährige, vertrauensvolle Partnerschaft, die durch gemeinsame Erfolgsprojekte und innovative Ansätze die Branche nachhaltig prägt.
Herr Stronstorff: Eurest gilt als Vorreiter in der Digitalisierung der GV und begann bereits vor 20 Jahren mit bargeldloser Bezahlung und zentraler Betriebssteuerung. Was waren die betrieblichen und
wirtschaftlichen Überlegungen?
Herr Stronstorff: Vor 20 Jahren war der POS bei unseren Kunden sehr inhomogen aufgebaut, jeder Kunde hatte ein anderes Kassensystem. Nennen Sie es Glück oder Zufall, wir starteten damals im
Kleinen – mit rund 40 Betrieben – ein einheitliches POS-System aufzubauen. Wir haben also früh erkannt, wie wichtig ein einheitliches System ist. Rückblickend ein enormer Gewinn, mit ventopay eine
partnerschaftliche Zusammenarbeit aufgebaut zu haben.
Sei es für die zentrale Verwaltung der Daten, für die Einführung eines Warenwirtschaftssystems, zentrales und automatisiertes Berichtswesen oder Betriebssteuerung. Das war und ist der Vorteil von ventopay, für all diese Herausforderungen stets eine gemeinsame Lösung zu finden.
Herr Reichenberger, welche Rolle spielte ventopay bei der Anpassung und Weiterentwicklung?
Herr Reichenberger: Eurest hat sehr früh die Relevanz von digitaler Transformation erkannt. Payment-Optimierung und die Wichtigkeit der Daten im betrieblichen Kontext haben schnell einen operativen
Mehrwert gebracht. Vor 20 Jahren steckte die Einbindung von Mitarbeiterausweisen und elektronischen Bezahlmedien noch in den Kinderschuhen. Gemeinsam konnten wir hier ansetzen und den
Bezahlprozess für den Gast mit modernster Technologie schnell, sicher und einfach gestalten. Nach und nach wurde eine digitale Gesamtplattform entwickelt und großartige Innovationen umgesetzt.
Beispielsweise haben wir die größte Kantine Europas mit einer Payment- und Subventionslösung über die Bankkarte ausgestattet.
Unsere Philosophie ist, dass wir uns vom POS hin zum EOS (Environment of Service) entwickeln. In
einem EOS werden einerseits die Bedürfnisse der Gäste und andererseits die Bedürfnisse der Betreiber
perfekt in den Fokus gerückt – wir verstehen uns als Experte, der bei einer digitalen Transformation
unterstützt und Trends aus der Forschung in die Praxis bringt.
Herr Stronstorff: Seit Beginn hat sich die Datenthematik massiv weiterentwickelt und wir haben das
Maximum noch nicht erreicht. Heute können wir, ich denke als einziges Land in der Gruppe, in 98%
unserer rund 100 Betriebe auf Knopfdruck die Preise zum Vorjahr vergleichen, Preise je Produkt analysieren oder Renner-Penner Listen erstellen. Dabei berücksichtigen wir all die verschiedenen Gegebenheiten unserer Kunden und haben dennoch eine Einheitlichkeit im System. Ohne die frühzeitige Erkennung der Datenrelevanz und einem Partner an unserer Seite, der uns auf dem Weg begleitet und gechallenged hat, wären wir heute nicht, wo wir sind.
Homogene Daten und Digitalisierung sind abstrakte Begriffe. Können Sie uns ein Beispiel für den Mehrwert geben?
Herr Stronstorff: Durch die Standardisierung unseres POS-Systems haben wir unsere Abläufe wesentlich vereinfacht und eine Grundlage für Innovationen geschaffen. Besonders während der COVID-19-Pandemie hat die zentrale digitale Plattform, welche mehr als „nur“ ein POS-System ist, eine extrem schnelle Anpassung ermöglicht. Wir konnten rasch digitale Bestellsysteme umsetzen, mit unseren Kunden vereinbaren, dass Subventionen auch zuhause abrufbar sind und die Bestellung nach Hause liefern. Damit konnten wir Wege beschreiten, die in der GV bis dato nicht vorstellbar waren, da unser Geschäft über die letzten 20 Jahre konstant war.
Als Anbieter, mit dem Eurest diesen Weg gemeinsam beschritten hat, wie ermöglicht ventopay diese Integration?
Herr Reichenberger: Um Integrationen zu ermöglichen, braucht es – um im gastronomischen Sprachgebrauch zu bleiben – eine ganz wichtige Zutat: Eine Partnerschaft. Das eine ist, ein ausgezeichnetes System anzubieten, das all diese Möglichkeiten bietet. Das andere ist, dass es auch angenommen werden muss – nur dann wird es zum Erfolgsrezept. Der Rest ist technisches Handwerk, mit dem wir uns seit 20 Jahren vom POS bis hin zur führenden digitalen Plattform entwickelten. Das System beinhaltet alles vom Kassen- über das Payment-System, den Vending Bereich, Smart-Fridges, Kundenbindungslösungen mit App, Webshops bis hin zum KI-basierten Infotainment. Alle Lösungen greifen auf eine einheitliche Datenplattform zu. Dadurch werden Lösungen, wie die Bestellungen bis ins Homeoffice, in kürzester Zeit realisiert.
Herr Stronstorff: Zum Thema Partnerschaft ein Beispiel. Siemens wollte einen Gesundheits-Tracker in die App integrieren. Die Gäste sollten sehen können, welche Inhaltsstoffe und Kalorien im Mittagessen waren. Das sieht zu Beginn vielleicht einfach aus, bevor in der Projektphase viele Bausteine hinzukommen und es vielleicht im ersten Schritt nicht auf Anhieb funktioniert. Das liegt dann in der Partnerschaft, diese Entwicklungsschritte und Hürden gemeinsam zu gehen. Beide Seiten müssen gechallenged werden und ihre Systeme weiterentwickeln – da haben wir mit ventopay einen guten Partner.
Wo sehen Sie aktuell die Challenges, neben jener, die Digitalisierung weiter voranzutreiben?
Herr Stronstorff: Ich glaube die ganz große Herausforderung für die Branche ist das Thema Personal und die damit verbundene Flexibilität. Hier spielt sicher die Automatisierung, z. B. optische Speisenerkennung, eine wesentliche Rolle. In diesem Bereich können wir durchaus Mitarbeiter reduzieren und für andere Aufgaben einsetzen. Allerdings braucht es in unserem Geschäft immer den menschlichen Faktor. Gerade Kassenkräfte sind entscheidend – sie kennen unsere Gäste und kommunizieren mit ihnen, allerdings brauche wir z.B. durch die automatische Speiseerkennung und Bezahlung nicht mehr 5 Kassen mit Kassenkräften. Wir wollen mit der Digitalisierung unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten, durch z. B. automatisierte Rechnungserstellung, automatisiertes Berichtswesen, automatischer Warenbestellung, Produktionsplanungen usw. – um mehr Zeit für den und mit dem Gast zu haben.
Herr Reichenberger: Als Techniker durften wir in den letzten beiden Jahrzehnten viel lernen. Wir haben nun verstanden, dass alle gastronomischen Prozesse am Ende des Tages sehr stark mit Emotionalität verbunden sind. Dementsprechend braucht es Lösungen, die diese Emotionalität fördern.
Wie kann mit Personalmangel die geforderte Flexibilität gelingen?
Herr Stronstorff: Es gibt Tage die z. B. durch Home-Office umsatzschwächer geworden sind. Da müssen wir überlegen, ein anderes Service anzubieten, wie z. B. Vorbestellung und Service zum Tisch, um den Gesamtaufwand zu minimieren und gleichzeitig die Serviceleistung für den Gast zu erhöhen. Die Systeme müssen das unterstützen und auch die Flexibilität gewähren, wieder zurückzuswitchen. Das minimiert den Produktionsaufwand und Food-Waste und hilft in der Personalplanung. Da gilt es noch vieles umzusetzen und die Plattform ist dabei ganz entscheidend.
Herr Reichenberger: Absolut. Und die Plattform ist ready to go.
Eine Lösung „just in time“, das ist selbst für die Softwarebranche sehr schnell. Wie gelingt das?
Herr Reichenberger: Es geht darum, ganz nah am Markt und unseren Partnern zu sein. Kommunikation ist unglaublich wichtig. Mit unserer leistungsfähigen F&E können wir zusätzlich sehr rasch auf neue Markt- und Innovationsideen reagieren. Wir beschäftigen mehr als 1/3 der Personen im Unternehmen in der Forschung & Entwicklung und sind daher sehr schnell bei der Umsetzung von Lösungen, die echte Mehrwerte schaffen. Zudem arbeiten wir sehr eng mit Fachhochschulen und universitären Einrichtungen zusammen.
Unser Fokus ist dabei klar auf die Gemeinschaftsgastronomie und die Großküchen dieser Welt gerichtet.
Wir versuchen stets einen Schritt voraus zu sein, was das Risiko des einen oder anderen leeren Kilometers mit sich bringt.
So beschäftigen wir uns zum Beispiel bereits jetzt mit dem Kassenplatz der Zukunft – da ist die Kamera-basierte Kasse schon fast wieder ein alter Hut. Wir denken einen Schritt weiter. Was wird als nächstes kommen und wir hoffen natürlich, dass wir mit unseren Ideen die Bedürfnisse treffen und fertige Lösungen anbieten können, wenn der Markt reif ist dafür.
Sie haben beide vorhin den menschlichen Faktor angesprochen. Wie gelingt die digitale Veränderung?
Herr Stronstorff: Wir versuchen immer, die Menschen abzuholen und ihnen die Mehrwerte für ihre Arbeit aufzuzeigen. Veränderung ist im ersten Schritt oft schwierig. Bei der Einführung der optischen Speisenerkennung war die Angst vor Kontrolle und dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes da. Es ist also ein heikles Thema, denn wir brauchen hochmotivierte und engagierte Mitarbeiter. Am besten ist es dann, wenn digitale Innovation in einem Betrieb funktioniert und die Kollegen untereinander reden. So kommt es ins Rollen, Ängste weichen und Neugierde und Vorteile nehmen ihren Platz ein. Das war auch bei der automatischen Rechnungslegung so. Ziel muss sein, die Administration zu verringern und unserem Kerngeschäft mehr Raum zu geben.
Herr Reichenberger: Vieles wurde schon gesagt. Der Begriff Digitalisierung greift nicht weit genug, sondern ich möchte es durch digitale Transformation ersetzen, in der sich Prozesse zum Positiven für die Menschen verändern. Der Mehrwert der digitalen Transformation muss von Entscheidungsträgern, Betriebsleitern und Managern erkannt werden. Die Arbeits- und Aufwandreduktion muss ganz oben als Überschrift stehen.
Wir haben vorhin schon über die Zukunft gesprochen.
Herr Stronstorff: Corona hat eine große Veränderung mit z. B. Home-Office mit sich gebracht. Die Gästezahlen sind volatiler, was die Produktionsplanung maßgeblich erschwert. So haben erfahrene Betriebsleiter vor Corona sehr genau abschätzen können, welche Speisen in welcher Anzahl gewählt werden. Heute ist die Planung um ein Vielfaches schwieriger.
Da haben wir ein tolles gemeinsames Projekt gestartet mit der KI-basierten Produktionsplanung. Die ersten Auswertungen, die ich gesehen habe, sind schon bei einer sehr guten Vorhersagegenauigkeit. Dieses Ergebnis, zum jetzigen frühen Zeitpunkt des Forschungsprojektes, sind meiner Meinung nach richtungsweisend. Wir haben hier ein sehr großes Potential für die Planung und vor allem für die Reduktion von Food-Waste.
Das ist unser größtes Thema in der Gastronomie. Jedes Kilo Fleisch, jedes Kilo Gemüse hat einen extremen CO2-Fußabdruck. Alles, was wir in der Produktion einsparen, hat eine sehr große Hebelwirkung für die Reduktion des Food-Waste.
Daher haben wir gleich gesagt, ja da wollen wir mitmachen. Es ist wichtig, von einem Partner immer neue Impulse zu bekommen und sagen zu können, OK das ist der richtige Weg, den wir mitgehen wollen.
Wir fühlen uns hier als Marktführer im Bereich der Frischküche den nächsten Generationen und unserer Umwelt verpflichtet und wollen durch unser sinnvolles Handeln und Innovation das Wohlbefinden von Menschen positiv beeinflussen.
Herr Reichenberger: Ich kann mich hier nur anschließen. Die Prognose ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Zukunftsfaktor für Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Wir haben auch hier, gemeinsam mit den Experten von Eurest, einen Schritt weitergedacht – ich möchte aber dazu noch nicht allzu viel verraten, da wir aktuell noch im Forschungsstadion sind. So viel ist aber sicher: KI-basierte Prognose bietet hier sehr viele, noch ungeahnte Möglichkeiten entlang der gesamten Produktionskette.
Es ist mir ein Herzensanliegen den Food-Waste in der GV zu reduzieren. Rund 40% aller auf der Welt produzierten Lebensmittel werden nicht konsumiert. Wenn wir mit Technologien einen Beitrag leisten können den Lebensmittelabfall zu reduzieren, dann sollten wir das unbedingt machen.