Kein Fleisch, kein Fisch, keine Schokolade, kein Eis. Vegane Ernährung kann hart sein für Kinder und ist nicht unbedingt gesund. In Italien wird sogar ein Verbot diskutiert. Erste Gerichtsentscheidungen gibt es schon.
Es sieht ein wenig nach Sommertheater aus: Eine Abgeordnete will Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, ins Gefängnis schicken. Elvira Savino (Forza Italia) will bis zu ein Jahr Gefängnisstrafe für Eltern durchsetzen, wenn sie unter 16-Jährige zu veganer Diät zwingen, bis zwei Jahre, wenn die Kinder unter drei Jahre alt sind. Besonders aussichtsreich ist dieser Vorschlag nicht: die rechtspopulistische Forza Italia hat im Parlament keine Mehrheit.
Rund 900.000 Veganer gab es 2014 nach Auskunft des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu) in Deutschland – gut ein Prozent der Bevölkerung. In Italien sollen es 600.000 sein, was einem fast ebenso hohen Anteil entspricht. Tendenz steigend.
Auch bei Schulkost wird heftig über ein veganes Angebot debattiert. Das Gesundheitsministerium sicherte nach einem Streit um den Ausschluss eines vegan ernährten Kindes vom Kindergarten zu, dass eine andere Ernährung aus ethisch-religiösen oder kulturellen Gründen möglich sei.
Ministerin Beatrice Lorenzin ergänzte aber, Kinder bräuchten eine ausgewogene Ernährung. Dazu gehöre auch tierisches Eiweiß. „Man muss hier der wissenschaftlichen Erkenntnis folgen und nichts anderem, weil falsch ernährte Kinder Entwicklungsprobleme haben, Rachitis (eine Knochenwachstumsstörung) und andere Probleme. Und leider gibt es da viele Fälle.“
Auch in Deutschland gibt es eine Debatte um vegane und vegetarische Angebote in Schulen. „Religiöse Gründe für bestimmte Ernährungsweisen werden akzeptiert. Aber bei ethischen Gründen ist das noch nicht so angekommen“, sagt Wiebke Unger vom Vebu. Sie betont: „Vegan geht in allen Lebensphasen.“
Eltern müssten dabei darauf achten, welche pflanzlichen Nahrungsmittel ihren Kindern die nötigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe liefern. Vitamin B12 müsse zusätzlich zugeführt werden. „Außerdem ist es wichtig, dass man regelmäßig ein Blutbild erstellen lässt und von Ärzten gut betreut wird.“
Selbst erwachsene Veganer brauchen Experten zufolge zusätzlich Vitamine und Mineralstoffe. „Wenn man bei einer veganen Ernährung nicht zusätzlich Nahrungsergänzungsmitteln einnimmt, kommt es zu Schäden – ganz besonders im frühen Kindesalter“, sagt Berthold Koletzko vom Haunerschen Kinderspital der Universität München. „Bei Säuglingen und kleinen Kindern geht das binnen weniger Monate.“ Es könnten irreversible Schäden entstehen.
Koletzko und seine Kollegen müssen immer öfter vegan ernährte Kinder mit Mangelerscheinungen behandeln, wie der Mediziner berichtet. Meist seien Eltern dann aber bereit, den Speiseplan umzustellen oder ergänzend Tabletten zu geben. „Es sind nur ganz wenige Familien, die sich nicht überzeugen lassen. Wenn wir dann zu der Überzeugung kommen, dass das Kind geschädigt wird, rufen wir die Gerichte an.“
Ein Fall fürs Gericht
Schnitzel fürs Kind ja oder nein – in Italien mussten sich Gerichte damit befassen. Im Juli erlaubte ein Gericht in Monza in zweiter Instanz veganes Essen für ein achtjähriges Kind. Die Mutter müsse aber für regelmäßige ärztliche Untersuchungen und notwendige Ergänzung sorgen, verlangten die Richter Medienberichten zufolge.
In Bergamo verdonnerte im vergangenen Jahr ein Gericht eine Mutter dazu, dem Sohn ein Mal in der Woche Fleisch zu kochen. Der Junge musste bei der Mutter streng vegan essen, beim getrennt lebenden Vater bekam er dann bei Besuchen am Wochenende Fleisch, Süßes, Polenta mit Würstchen und Gorgonzola, von der Oma gekocht. Kein Wunder, dass der Junge bei dem Durcheinander Bauchweh bekam. Nun muss auch der Vater Maß halten. Laut Richterspruch darf er dem Sohn nur zwei Mal pro Wochenende Fleisch vorsetzen, berichteten Medien.
Koletzko hält es für keine gute Idee, Eltern zu bestrafen. „Es ist falsch, sie zu kriminalisieren. In aller Regel wollen die Eltern das Beste für ihr Kind und lassen sich durch Fakten überzeugen.“ Eine Gefahr gibt es Koletztko zufolge gerade bei Kindern: Das Gehirn entwickelt sich nicht richtig. Auch Blutarmut, Schädigungen von Nerven und Rückenmark, Störungen des Gleichgewichts und des Bewusstseins können die Folge sein. Es fehlt Vitamin B12, aber auch Eisen, Zink, die Omega-3-Fettsäure DHA, teils Jod und Vitamin D. Fisch, Fleisch, Eier und Milch enthalten die Stoffe. Vegetarier sind hier besser versorgt.
Italiens Kinder zählen zu den dicksten
Freilich garantiert auch die gewöhnliche Ernährung in Italien Kindern nicht immer Gesundheit. Sie gehören Studien zufolge zu den fettesten in ganz Europa, neben dem Nachwuchs in Griechenland. „Bei Kindern im ganzen Mittelmeerraum ist die Häufigkeit von Übergewicht am stärksten in ganz Europa“, sagt Koletzko. Eine Untersuchung von Kindern in Portugal und in München brachte zudem ans Licht: „Die portugiesischen Kids haben weniger mediterran gegessen als die Münchner.“