Bisher waren nur Eier und Hühnerfleisch betroffen, nun ist auch in Schweinefleisch ein Dioxin-Gehalt über dem Grenzwert nachgewiesen worden. Bund und Länder wollen Verbraucher künftig mit einer Warnplattform besser über Probleme bei Lebensmitteln informieren.
Erstmals ist auch ein erhöhter Dioxinwert in Schweinefleisch nachgewiesen worden. Bei einem Schweinemäster im niedersächsischen Landkreis Verden ergab eine Probeschlachtung bei einem Tier den stark erhöhten Giftgehalt, teilte das Landwirtschaftsministerium in Hannover mit. Um wie viel der Grenzwert überschritten wurde, war zunächst nicht bekannt. Bund und Länder wollen eine bundesweite Warnplattform für Lebensmittel einrichten. An dem Angebot werde bereits «mit Hochdruck» gearbeitet, sagte der verbraucherpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Bleser (CDU), der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag).
Warnplattform schon in wenigen Wochen
Da Lebensmittelkontrolle Ländersache ist, informieren die Länder bisher meist nur über verdächtige Produkte in ihrer Region. Die neue Internetseite mit Informationen aller bundesweit zuständigen Behörden solle in den nächsten Wochen starten, sagte Bleser. Auch die SPD- Bundestagsfraktion hatte eine solche Plattform für sinnvoll erachtet und ihren Aufbau gefordert.
In den vergangenen Tagen waren nur in Proben von Eiern und Legehennenfleisch erhöhte Dioxin-Werte gemessen worden. Proben bei Hähnchen, Putenfleisch und Kuhmilch wiesen keine Überschreitungen von Grenzwerten auf. In Niedersachsen würden nun sämtliche Schweine des betroffenen Hofes getötet und entsorgt, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne. Es handelt sich um mehrere hundert Tiere.
Schweine- und Putenmäster werden einzeln kontrolliert
Bei einem zweiten Schweinemäster sei ein Tier entdeckt worden, dessen Belastung im Grenzbereich liege. Dort werden weitere Proben genommen, der Hof bleibt gesperrt. Die derzeit noch gesperrten 330 niedersächsischen Schweine- und Putenmäster sowie Legehennenbetriebe würden einzeln kontrolliert, um Risiken für die Lebensmittelsicherheit auszuschließen.
Tausende wegen Dioxin-Verdachts gesperrte Agrarbetriebe dürfen inzwischen wieder ihre Produkte verkaufen. Nach Angaben von Montagabend waren noch 558 Betriebe gesperrt, davon neben den 330 in Niedersachsen 143 in Nordrhein-Westfalen und 62 in Schleswig- Holstein.
Dioxin-Skandal beschäftigt Bundestag
Der Dioxin-Skandal sollte an diesem Dienstagnachmittag auch im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Verbraucherausschusses des Bundestags stehen. Alle Parteien fordern Konsequenzen. Ministerin Ilse Aigner (CSU) regte an, dass Futterhersteller nur noch unter strengen Bedingungen zugelassen werden. Und sie sollen nicht mehr parallel Futterfette und technische Fette herstellen dürfen.
Kriminelle Panschereien gelten als Ursache des Skandals, der zeitweise zur Sperrung von etwa 5000 Höfen führte.
Niedersachsen fordert Kennzeichnung von Industriefett
Niedersachsen will nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums vorschlagen, Industriefett künftig einfärben zu lassen. Die FDP will Panschereien in der Futterindustrie mit einer Gesetzesverschärfung unterbinden. «Die gängige Praxis, kontaminierte Futtermittel soweit zu verdünnen, dass sie unter dem festgelegten Auslösewert liegen, muss unterbunden werden», heißt es in einem Positionspapier der Fraktionssprecherin für Ernährung und Landwirtschaft, Christel Happach-Kasan. Sie schlug vor, schon am Beginn der Kette, etwa bei den Futterfettproduzenten, härtere Regeln einzuführen.
Verbrauchern schlägt Dioxin-Skandal auf den Magen
Der Skandal geht auch an vielen Fleischereien nicht spurlos vorbei. «Wir spüren das auf jeden Fall, und sei es nur, weil die Kunden uns immer wieder darauf ansprechen», sagt der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), Manfred Rycken. «Wir stehen ganz am Ende der Kette und sind trotzdem diejenigen, die den Kunden alles erklären müssen, weil wir ihnen Auge in Auge gegenüberstehen.»
Das Dioxin soll in einer Firma im niedersächsischen Bösel in das Futterfett gekommen sein. Das Unternehmen arbeitet als Spedition für Fette. Die Futterfettproduktion wurde dort wohl illegal betrieben.
Die Firma ist ein Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, das die Dioxin-belasteten Futterfette vertrieben hatte und nun im Fokus der Ermittlungen steht.
Politiker fordert hohe Strafen für Futterpanscher
Der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) forderte hohe Strafen für die Verantwortlichen. «Wenn sich das alles so bewahrheitet, ist das erhebliche kriminelle Energie», sagte der Minister am Montagabend in Hannover. «Nach derzeitigem Stand kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass irgendwelche Dinge fahrlässig stattfanden.» Die Hauptverantwortung sieht Busemann nach den bisherigen Ermittlungen bei Harles und Jentzsch. «Hier wird über erhebliche Freiheitsstrafen zu denken sein», sagte der Minister. Betrug im besonders schweren Fall zieht Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren nach sich. (dpa)