Im Jahr 2050 werden sich Millionen Menschen in den Entwicklungsländern ihr Grundnahrungsmittel Fisch nicht mehr leisten können – sie werden ihn exportieren, statt ihn zu essen. Diese Prognose trifft der WWF in einem am 11. Januar 2017 veröffentlichten Report zur zukünftigen weltweiten Fischversorgung. Die Umweltorganisation ruft deshalb zu besserem Fischerei-Management und gerechterer Verteilung auf.
„Wenn wir es richtig angehen, werden wir in 35 Jahren mehr Fisch sowohl im Ozean als auch in den Netzen haben. Allerdings wird der gefangene Fisch sehr wahrscheinlich nicht dort landen, wo die Menschen ihn zum Überleben brauchen“, so Karoline Schacht, Fischereiexpertin des WWF und Co-Autorin der Studie. „Obwohl wir also im besten Fall mehr Wildfisch zur Verfügung haben, könnten in Zukunft weniger Menschen davon profitieren. Wir müssen Fisch gerechter verteilen.“
Die vom WWF beauftragten Wissenschaftler der Universität Kiel analysierten für die Studie „Überfischt und unterversorgt“ , wieviel Meeresfisch im Jahr 2050 nachhaltig gefangen werden kann und berechneten erstmals, ob diese Menge für alle Menschen reichen werde. „Unser Fischkonsum im globalen Norden wird in Zukunft erheblichen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Menschen haben, die viel stärker von Fisch abhängig sind als wir“, so Schacht. Für die Versorgung des Weltmarktes mit Fisch spielen Entwicklungsländer eine immer größere Rolle. Rund 61 % des weltweiten Fischexports stammen aus diesen Ländern. Gleichzeitig ist dort die Abhängigkeit von Meeresfisch als Nahrungsmittel und Proteinquelle viel höher als beispielsweise in Europa.
Plus von 37 Mio. Tonnen Fisch möglich
Den Prognosen der Wissenschaftler folgend, kann der wachsende globale Bedarf nach Fisch nur dann annähernd gedeckt werden, wenn das weltweite Fischerei-Management deutlich verbessert, die Auswirkungen auf die Meeresumwelt verringert und der Schutz der Biodiversität und der marinen Lebensräume sichergestellt werden. Die weltweite jährliche Gesamt-Fangmenge ließe sich unter diesen Bedingungen von derzeit rund 100 Mio. auf 137 Mio. Tonnen steigern.
„Voraussetzung für höhere Fänge ist eine ganzheitliche Betrachtung des Ökosystems Meer sowie ein effektives Fischerei-Management, das gesunde Fischbestände zum Ziel erklärt, und seine Regeln mit Nachdruck durchsetzt“, so Karoline Schacht vom WWF. Dagegen würden die zukünftigen Weltfischereierträge drastisch sinken, wenn das derzeitige Fischerei-Management sich nur geringfügig verschlechtert. Angesichts der Herausforderung künftig mehr Menschen versorgen zu müssen, ist ein Verharren im Status Quo des Fischerei-Managements laut WWF keine Option.
Gerechte Verteilung gefordert
„Mit der Weltbevölkerung wächst auch ihr Fischbedarf. Weniger Fisch wäre vor allem für jene 800 Mio. Menschen eine Katastrophe, für die Fisch die wichtigste Proteinquelle oder ihr wirtschaftliches Standbein ist“, warnt Schacht. Da sich die Staatengemeinschaft bis 2030 zum Ziel gesetzt hat, den Hunger in der Welt zu beenden, fordert der WWF die internationale Politik dazu auf, in ihren Aktionsplänen für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele die Fischfrage stärker zu betonen und langfristig eine faire und gerechte Verteilung des Fisches sicherzustellen.
Auch der Zustand der Fischbestände in Europas Gewässern müsse drastisch verbessert werden, um die Importabhängigkeit des europäischen Marktes zu verringern. Europa importiert knapp ein Fünftel des weltweit gehandelten Fisches. An die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und Europa appelliert der WWF, Fisch als Delikatesse und nicht als alltägliches Konsumgut zu betrachten und sich beim Kauf für nachhaltige Produkte nach Empfehlung des WWF Fischratgebers zu entscheiden.
Die Studie „Überfischt und unterversorgt – Wieviel Fisch wir in Zukunft fangen und wer ihn essen wird“ wurde im Rahmen des EU-kofinanzierten WWF-Projekts „Fish Forward“ erstellt. Fish Forward schafft in elf EU-Ländern Bewusstsein für die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen des europäischen Fischkonsums – vor allem auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Entwicklungsländern.