Essen verbindet und schweißt eine Mannschaft zusammen. Das gilt beim Fußball genauso wie im Unternehmen. Umso ärgerlicher ist es, wenn ein Mitglied des Teams auf Gluten verzichten muss. Das schränkt die Speisenwahl deutlich ein und stempelt schnell zur Extrawurst.
„Essen darf niemanden ausgrenzen“, sagt Holger Stromberg, seit 2007 Koch im Betreuerstab der Fußball-Nationalmannschaft. Die Spieler haben ganz unterschiedliche Ernährungsbedürfnisse, einige essen ausschließlich glutenfrei. „Die anderen sollen das im Bestfall gar nicht merken“, sagt Stromberg. Beim DFB gibt es deshalb ausschließlich Büfett, wo jeder selbst zugreifen kann. „Der Koch ist ein Dienstleister“, sagt Stromberg, „da gehört es dazu, sich auf die Bedürfnisse seiner Gäste einzustellen.“
Nein, neu kochen lernen muss man nicht, wenn man das Angebot um glutenfreie Kost erweitern will, räumt Stromberg einzelne Befürchtungen aus. Oft genüge es, die glutenhaltige Komponente eines Gerichts einfach auszutauschen, die Zubereitung bleibe dieselbe.
Eine Variante, kein Verzicht
Vitalbrot-Crostinis, Knusperbrot mit Avocado, Kokos-Chili-Gnocchis und Rehrücken in Briochemantel schmecken in der glutenfreien Variante genauso gut. Ebenso gibt es Wraps für Weizenallergiker, Pizzateig, Kekse und Knäckebrot. „Verzicht ist mittlerweile das falsche Wort“, sagt Birgit Blumenschein, Diätassistentin und diplomierte Medizinpädagogin, die beim Talk die medizinische Seite repräsentiert.
Vielmehr sei mit der glutenfreien Küche eine neue Wahlmöglichkeit hinzugekommen. Denn glutenfrei essen schade nicht. Auch Nicht-Betroffene könnten unbesorgt zugreifen. Auch Stromberg gibt zu: Hin und wieder kocht er für alle im Team glutenfrei. Dafür, dass man den Unterschied auch geschmacklich kaum noch wahrnimmt, sorgen Unternehmen wie Dr. Schär. Der Spezialist für glutenfreie Lebensmittel mit Sitz in Burgstall/Italien leistet sich ein hauseigenes Forschungs- und Entwicklungsteam mit Ernährungsmedizinern aus ganz Europa und den USA und ist Marktführer in Europa. Sein Sortiment richtet sich an Zöliakiebetroffene, Menschen mit Gluten- oder Weizensensitivität und Weizenallergiker.
Snacks für zwischendurch
Glutenfreie Produkte sind auch ein Umsatztreiber für die Zwischenverpflegung: „Für Betroffene ist es oft schon zur Gewohnheit geworden, sich selbst zu versorgen und immer ein paar Snacks in der Handtasche dabei zu haben. Man geht nicht davon aus, dass in der Gastronomie etwas für einen vorgehalten wird“, sagt Verena Rier, Marketing-Leiterin bei Dr. Schär.
Im Außer-Haus-Bereich gebe es tatsächlich großen Nachholbedarf, sagt auch Ernährungsberaterin Birgit Blumenschein. Überhaupt sei über Gluten viel zu wenig und viel Falsches bekannt. Manche Foodtrends machen sogar glauben, die glutenfreie Ernährung sei eine Diät zum Abnehmen.
„Das ist falsch“, betont die Ernährungsexpertin. „Im Gegenteil, Gluten-Unverträglichkeit wird oft spät entdeckt. Da ist es meist schon zu Mangelerscheinungen wie trockener Haut gekommen und der Darm ist arg mitgenommen. Deshalb ist es wichtig, den Mangel über ausgewogene Ernährung wieder aufzuwiegen und die Nährstoff-Depots aufzufüllen.“
In puncto Kalorienbilanz besteht kein Unterschied zu herkömmlichen Produkten – ein Grund, weshalb auch Nicht-Betroffene ohne weiteres glutenfrei essen können.
Eins ist aber wichtig: Wer glutenfrei kocht, muss die Küchenprozesse umorganisieren. Glutenfreie Lagerbestände und Arbeitsflächen müssen von der herkömmlichen Küche getrennt werden. Geräte müssen nach jedem Gebrauch sorgfältig gereinigt werden, um eine Crosskontamination zu vermeiden. Schon bei der Pizzazubereitung genügen beispielsweise weizenhaltige Mehlstäube, die bei Betroffenen Symptome auslösen können. (htl)
Fotos: Stefanie Hattel/CM