Ursache für die jüngste Dioxinverseuchung von Tierfutter ist nach Angaben der Behörden die Verwendung nicht geeigneter Milchfettsäure bei der Herstellung. Ein Produzent in Schleswig-Holstein habe technische Mischfettsäure trotz gegenteiliger Kennzeichnung zur Futtermittelherstellung verwendet, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem “Westfalen-Blatt” (Dienstag). Durch die Kennzeichnung sei klar gewesen, dass die Ware nur für die technische Industrie, etwa zur Herstellung von Schmiermitteln, geeignet gewesen sei.
Der Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch in Schleswig-Holstein habe die von einem niederländischen Unternehmen gelieferte Fettsäure zur Herstellung von Futterfett verwendet, sagte der Behrödensprecher der Zeitung. 527 Tonnen davon seien dann an sieben Futtermittelbetriebe in Niedersachsen, drei Futtermittelhersteller in Nordrhein-Westfalen und jeweils einen Hersteller in Hamburg und Sachsen-Anhalt gegangen. Diese Hersteller hätten Höfe unter anderem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und Brandenburg beliefert, sagte der Behördensprecher der Zeitung.
8.000 Hennen getötet
Die Behörden mehrerer Bundesländer veranlassten am Montag drastische Sofortmaßnahmen, um den Schaden für Verbraucher und Landwirtschaft einzugrenzen. Nach einer Telefonkonferenz der Ministerien mehrerer Bundesländer sperrte Niedersachsen am Montag vorsichtshalber 1.000 Legehennen-Farmen, Schweine- und Putenzuchtbetriebe.In Nordrhein-Westfalen wurden 8.000 Legehennen getötet, die mit Dioxin verseuchtes Futter gefressen hatten. Die Tiere einer Hühnerfarm im Kreis Soest sollten nach Auskunft des Kreisveterinärs Wilfried Hopp verbrannt werden. Er rechnet damit, dass etwa 120 000 dioxinbelastete Eier des Betriebes in den Verkauf gelangt sind. “Wir bekommen noch einige tausend aus dem Handel zurück.”
Die Staatsanwaltschaft Itzehoe nahm Ermittlungen auf. “Wir prüfen, ob eine Straftat vorliegt”, sagte Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sah zunächst keine Gefahr für Verbraucher. “Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht”, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärte in Berlin: “Entscheidend ist, dass verunreinigtes Futter sichergestellt wird und belastete Produkte nicht in den Handel gelangen.”
Offenbar jahrelang falsche Mischfettsäure verwendet
Der Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch im schleswig- holsteinischen Uetersen kaufte nach eigenen Angaben jahrelang Reste aus der Biodieselherstellung sowie der Nahrungsmittelindustrie auf und verarbeitet sie für Viehfutter. “Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist”, sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert dem “Westfalen-Blatt”.
Das Unternehmen erklärte, das Dioxin stamme aus Fettsäure von einer Anlage der Biodiesel-Firma Petrotec im niedersächsischen Emden, die anschließend zu etlichen Tonnen Futtermittel verarbeitet worden sei. Die Petrotec AG erklärte am Montagabend, die an einen niederländischen Händler gelieferte Fettsäure sei allein zur technischen Verwendung und nicht für die Produktion von Viehfutter bestimmt gewesen.
Bundestag berät über Konsequenzen
Über mögliche Konsequenzen aus der Dioxin-Verseuchung soll auch der Bundestag beraten. “Wir müssen uns damit beschäftigen”, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hans-Michael Goldmann (FDP), den Dortmunder “Ruhr Nachrichten” (Dienstag). “Beim Thema Dioxin gehen natürlich sofort alle Alarmglocken an.” Goldmann sagte, auch eine rasche Sondersitzung des Ausschusses sei denkbar, um sich ein Bild der Lage verschaffen zu können sowie über das Krisenmanagement und mögliche Konsequenzen zu beraten.
Die betroffenen Bauern fürchten nach den Dioxin-Funden um ihre Existenz. Die Verursacher hätten ohne Wenn und Aber für den entstandenen Schaden einzutreten, forderte der Deutsche Bauernverband am Montag in Berlin. Weil die Qualitätssicherung gegriffen habe, hätten Rohwaren und Mischfuttermittel sofort gesperrt werden können.
Es müsse aber verhindert werden, dass Vermarktungsverbote die Existenz von Betrieben bedrohten. (dpa)